Regionalverband Ostwürttemberg

B29 Tunneldemo: Ein Klimaschutz-Weckruf, den nicht jeder hören will

10. September 2020

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) e.V. unterstützt den Plan von Fridays for Future am weltweiten Klimaschutzaktionstag den Schwäbisch Gmünder B29 Tunnel zeitweise für eine Fahrraddemonstration zu blockieren.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) e.V. unterstützt den Plan von Fridays for Future am weltweiten Klimaschutzaktionstag den Schwäbisch Gmünder B29 Tunnel zeitweise für eine Fahrraddemonstration zu blockieren. Der zum Zeitpunkt seiner Einweihung teuerste Straßentunnel Deutschlands sei Symbol einer verfehlten Verkehrspolitik, die den Klimawandel ohne jede Einsparung an Treibhausgasen ungebrochen anheize und somit regional der richtige Ort, um dies deutlich zu machen.

 

 „Der Einhorntunnel, war nach Auskunft des Landratsamtes 81 Mal im Jahre 2019 gesperrt, darunter 59 Mal durch Unfälle und unzulässiges Wenden im Tunnel sowie aussteigende Personen,“ so BUND Regionalgeschäftsführer Andreas Mooslehner. „Rund 7 Mal pro Monat wird der Verkehr meist über mehrere Stunden durch die Stadt geleitet. Insofern ist die zweistündige Sperrung für das grundgesetzlich verbriefte Demonstrationsrecht keine außergewöhnliche Herausforderung. Ähnlich wie bei angekündigten Wartungs- oder Reparaturarbeiten kann sich jeder auf diese Situation einstellen.“

 Der B29 Tunnel sei nach Einschätzung des BUND  nicht vorrangig zur Entlastung der Gmünder Stadtbevölkerung geschaffen worden sondern ergebe gemeinsam mit vielen geplanten und bereits in der Realisierungsphase befindlichen Ausbau- und Neubaustrecken eine autobahnähnliche Verbindung vom Rheintal bis nach Ingolstadt, die das Verkehrsaufkommen mindestens verdoppeln würde.

 Rund ein Drittel der Treibhausgasemissionen in Baden-Württemberg kämen nach einer Studie der Baden-Württemberg Stiftung aus dem Verkehrsbereich, der Löwenanteil aus dem Straßenverkehr. Der Ort der Demonstration von Fridays for Future sei daher gut gewählt. "Wir haben hier kein Steinkohlekraftwerk wie in Mannheim das so früh wie möglich vom Netz genommen werden sollte;  unser Klimahotspot ist der Verkehr", so Andreas Mooslehner vom BUND

 Die Verkehrsprojekte in der Region seien laut BUND stark straßenbaulastig: Rund 400 Millionen Euro hätten allein der Gmünder Tunnel und die Ortsumfahrung Mögglingen gekostet, gleichzeitig kämpfe man seit Jahren vergeblich darum, 40 Millionen Euro netto für einen weitgehend zweispurigen Ausbau der hoffnungslos überlasteten Brenzbahn von Aalen nach Ulm aufzutreiben um mehr Menschen und Güter von der B19 herunter auf die klimafreundliche Schiene bringen zu können.

Auch die Stadt Schwäbisch Gmünd verfolge noch immer eine rückwärtsgewandte autozentrierte Verkehrs- und Stadtentwicklungspolitik, die aufgrund fehlender Infrastruktur die Klimaschutzpotenziale des Radverkehrs nicht erschließe. Obwohl die Stadt sowohl dem Klimabündnis der europäischen Städte als auch 2013 der Arbeitsgemeinschaft Fahrrad- und Fußgängerfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg e. V. (AGFK-BW) beigetreten sei, gäbe es bis heute noch kein kommunales Radverkehrskonzept, das inzwischen Voraussetzung für viele Fördermaßnahmen sei.  Aus diesen Gründen sei die Stadt in der Region nach Darstellung des Umweltverbandes absolutes Schlusslicht. 

„Schwäbisch Gmünd ist nicht gewachsen, sondern fett geworden,“ konstatiert Andreas Mooslehner.  „Wir haben heute 2500 Einwohner weniger als vor 25 Jahren, gleichzeitig ist die Siedlungsfläche durch eine Vielzahl von Einfamilienhausgebieten wie ein Spiegelei auseinandergeflossen, die wohnortnahe Versorgung mit Dingen des täglichen Bedarfs fehlt in vielen Stadtteilen. Dies führt nicht nur zu hohen Infrastrukturkosten für die Stadtkasse, sondern die Menschen legen ohne mitgeplante gute ÖPNV-Anbindung und sichere Fahrradwege auch immer längere Wege zur Arbeit, zum Einkaufen, zum Arzt oder zu Freizeitangeboten mit dem Auto zurück.“ Der stetig steigende PKW Bestand von aktuell 620 Autos pro 1.000 Einwohner sei Beleg dafür. Selbst nach der Entlastungswirkung vom Durchgangsverkehr durch den Einhorntunnel sei es kaum möglich, durch weitere Optimierungsmaßnahmen mehr motorisierten Individualverkehr auf Kosten des Fahrrad-, Fußgänger- und Busverkehrs durch die Stadt zu bewegen. Insbesondere viele Verbindungen zu den innenstadtnahen Stadtteilen auf der Höhe seien zeitweise hoffnungslos überlastet.

Während die Stadt Aalen bis 2024 zehn Millionen Euro in neue Radwege investieren wolle, gäbe es in Schwäbisch Gmünd keine nennenswerten Mittel zur Förderung des Radverkehrs. Dagegen werde seit einem Jahr mit den monatlichen Fahrradaktionen der „Critical Mass“ protestiert.

 Aus Sicht des BUND erinnern die Fridays for Future-Aktivisten mit der Tunneldemo auch an das von der Bundesregierung vor einem Jahr aufgelegte Klimaschutzpaket, das sowohl von Wissenschaftlern als auch Umweltschützern als unzureichend und desaströs bezeichnet wurde. Die Dringlichkeit des Handelns erfordere eben auch neue öffentlichkeitswirksame Aktionsformen am weltweiten Klimastreiktag.

Die heftigen Reaktionen in den sozialen Medien auf die Tunneldemo zeigten nach Ansicht des BUND, dass man das mit dem Protest verbundene Anliegen besser vermitteln müsse. Gleichzeitig wollten wohl viele den damit verbundenen Weckruf für einen wirksamen Klimaschutz, der die in Paris beschlossene Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad erreiche, nicht hören. Die letzten 5 Jahren wären Klimatologen zufolge die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, der Wald in der Region bereits jetzt heftig in Mitleidenschaft gezogen. Unsere Welt im Jahre 2050 und 2100 werde eine andere, unwirtlichere, krisengeschüttelte sein wenn die Klimaschutzziele verfehlt werden, die Naturräume unser Heimat kaum wiederzukennen.  Das entschlossene Handeln Deutschlands in der Corona-Pandemie habe gezeigt, daß man Krisen bewältigen könne wenn man dazu bereit ist – beim Klimaschutz sei dies noch nicht der Fall.

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