Regionalverband Ostwürttemberg

Stellungnahme der Vereine und Initiativen zum Mobilitätspakt

05. August 2020

Mit einem offenen Brief an Bundes- Landes- und Kommunalpolitiker sowie Verwaltungen mischen sich zivilgesellschaftliche Organisationen in die aktuelle Diskussion ein.

Offener Brief an

das Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg

die Landtags- und Bundestagsabgeordneten

Die Landräte und Kreistagsmitglieder des Ostalbkreises und des Landkreises Heidenheim

Die Bürgermeister und Gemeinderät*innen der betroffenen Kommunen

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Spätestens seit der Gründung des Zweckverbands „Interkommunales Gewerbegebiet Königsbronn – Heidenheim – Oberkochen“ im Mai 2019, der zunächst ein 16 Hektar  großes Areal beim derzeitigen Zeiss Standort Oberkochen erschließen und vermarkten soll, wurde der politische Wille deutlich, den in weiten Teilen engen Talraum von Kocher und Brenz zwischen den Städten Aalen und Heidenheim mittelfristig in ein nahezu geschlossenes Band aus Gewerbe – und Siedlungsgebieten zu transformieren.

Um die erwarteten Steigerungen der Verkehrsströme, auf die weder die überlastete und durch Ortslagen geführte Bundesstraße 19 noch die Brenzbahn ausgelegt sind, beherrschen zu können, wurde ein Mobilitätspakt der beteiligten Kommunen und der beiden Landkreise geschlossen und von einem internen Steuerungskreis mit dem Verkehrsministerium vorangebracht. Dessen Inhalte sollten bei einem Mobilitäts- und Zukunftskongress im März 2020 in Oberkochen vorgestellt und diskutiert werden sollten, der jedoch coronabedingt abgesagt wurde.
Zivilgesellschaftliche Gruppen, die von den Organisatoren im Vorfeld nicht aktiv eingeladen wurden, hatten sich dennoch für diese Tagung angemeldet. Sie wurden bei der weiteren Fortentwicklung der Planungen ausgeschlossen und eine Teilnahme ihrer Vertreter*innen am Steuerungskreis abgelehnt.

Inzwischen haben sich Vertreter*innen verschiedener Vereine und Initiativen darunter der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club Heidenheim und Aalen, der Verkehrsclub Deutschland (VCD) Heidenheim, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Ostwürttemberg, Solar Mobil Heidenheim, die Bürgerinitiative Unterkochen, Fridays for Future Aalen,  das Klimabündnis Ostalb und der Initiativkreis Verkehr Ostwürttemberg zu einem eigenen Diskussionsforum zusammengeschlossen. 

Die Studie „ Mobiles Baden-Württemberg -Wege der Transformation zu einer nachhaltigen Mobilität“ der Baden-Württemberg Stiftung beschreibt die Anforderungen, an denen sich weit in die Zukunft weisende Infrastrukturentscheidungen messen lassen müssen.  Um die notwendige Mobilität und den Verkehr in der Region tatsächlich zukunftsfähig im Sinne einer nachhaltigen, umweltschützenden und klimaschonenden Art und Weise zu gestalten, halten wir die in der Anlage 1 skizierten Anpassungen am formulierten Positionspapier zum Mobilitätspakt sowie für den weiteren Planungsprozess für unerlässlich. 
 
Erwartungen an den weiteren Prozess


Wir formulieren die klare Erwartung an die Politik, das alternative Lösungen über andere Verkehrsträger gefunden werden, die kein zusätzliches Verkehrswachstum auf die Straße bringen, um die Kommunen mit Ortsdurchfahrten und Albaufstieg nicht physisch zu zerschneiden und Anwohner vor Lärmemissionen zu schützen. 
Wir warnen zudem vor einer Zersiedelung der Landschaft unserer Heimat wie sie vielfach in vergleichbaren Talräumen in Baden-Württembergd zu beobachten ist.

Wir sehen zwei wichtige Ebenen, deren Erfolg und Akzeptanz nur durch die intensive Einbindung der Zivilgesellschaft von jetzt sofort an erreicht werden kann.

⁃       Inhaltlich/thematisch:    Die weitere Priorisierung des motorisierten Individualverkehrs widerspricht allen Forschungen zu zukunftsfähiger Mobilität. Schutzgebiete müssen berücksichtigt werden. Der Fokus auf Aalen-Heidenheim ist zu verengt. Um die Attraktivität unserer Region zu steigern muss von Ulm aus gedacht werden und in nördlicher und östliche Richtung über Aalen hinaus.

⁃       Formen der Aushandlungsprozesse:    Die Einbindung der Zivilgesellschaft an der inhaltlichen Arbeit darf nicht länger aufgeschoben werden. Ein- oder zweidimensionale Perspektiven sind nicht ausreichend für eine so komplexe Situation. Es stellen sich Fragen nach den Auswahlprozessen von Instituten, Planungsbüros, Experten. Auch die Diskussion von Priorisierung und welche Mobilität eigentlich gewünscht ist, gehört partizipativ geklärt. In der Zivilgesellschaft ist große Kompetenz vorhanden, durch die die Komplexität zumindest annähernd abgebildet werden kann. Wir erwarten eine integrierte Entwicklung unter Einbindung der Zivilgesellschaft.

  
Unser Angebot: Gemeinsam neues Denken

Die Erfahrung der letzten Jahre hat uns gezeigt, dass niemand mit dem im Mobilitätspakt genannten Talraum schonend umgegangen ist. Gerade in der engen Tallage mit begrenztem Raum ist es um so drängender alternative Lösungswege zu beschreiten. Die fragmentierten Interessenlagen machen das Paradox deutlich, dass zwar viele individuell mobil sein wollen – niemand aber die Straßenverkehrsbelastung haben möchte.  Es darf keinen Katalog der Beliebigkeiten geben. Auch wenn keiner weiß, wie dieses Dilemma zu lösen ist, ist eines klar: Neue Straßen verschärfen das Problem. Wenn man die Mobilität quantitativ wachsen lassen will, zerstören Straßenlösungen dieses enge Tal. Bevor über neue Straßen nachgedacht wird, sollten erst alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft werden.  Mehr vom Gleichen erzeugt mehr von gleichen Problemen. Eine neue Art des Denkens ist notwendig.  

Die Städte Aalen und Schwäbisch Gmünd sowie der Ostalbkreis sind Mitglied im Klima-Bündnis, der Europäischen Kommunen in Partnerschaft mit indigenen Völkern. Die vom Deutschen Städtetag initiierte Musterresolution zur Agenda 2030 wurde vom Landkreis Heidenheim und der Stadt Heidenheim sowie auch vom Ostalbkreis und den Städten Schwäbisch Gmünd und Aalen unterzeichnet. Diese Absichtserklärungen müssten die Entscheider*innen in ihrer Politik umsetzen, was bisher aber nicht der Fall ist, wenn man die Folgen des aktuellen Positionspapiers antizipiert.

Wir bieten wiederholt und weiterhin an, konstruktiv den Diskussionsprozess zu begleiten und vorhandenen Verbindungen zwischen der Zivilgesellschaft beider Landkreise als Lösungspotential einzubinden.

Wir danken für Ihre Aufmerksamkeit und sind gespannt, wie der weitere Prozess fortgeführt wird. Bitte beachten Sie  unsere Statements im Dokument in der Anlage.

Mit freundlichen Grüßen in Vertretung der beteiligten Organisationen 
 

Andreas Mooslehner

BUND Regionalgeschäftsführer

Download: Zentrale Forderungen zum Mobilitätspakt

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