Der größte Milchviehstall in Baden-Württemberg soll auf der Ostalb entstehen
Eine Erweiterung auf 1313 Kühe plus Nachzucht wurde beantragt
Die deutsche und europäische Agrarpolitik wirkt sich für bäuerliche Familienbetriebe und Artenvielfalt gleichermaßen zerstörerisch aus.
In Baden-Württemberg nahm die Zahl der Landwirte von 1971-1978 um 78 % ab. Auch die Zahl der Insekten nahm rapide sank um 75% ab ( Zählungen in Schutzgebieten 1989-2014). Deshalb setzt sich der BUND für eine Agrarwende im Interesse von Mensch und Natur ein.
Der Ostalbkreis gehört seit langem zu den Kreisen in Baden-Württemberg mit einer hohen Tierhaltungsdichte. Besonders hier im Grenzgebiet zu Bayern gibt es die Tendenz zu immer größeren Ställen. Die Konkurrenz um aufgrund ausufernder Siedlungs- und Verkehrsflächen immer weiter schwindende Agrarflächen setzt in Verbindung mit stagnierenden oder sinkenden Erzeugerpreisen immer mehr Landwirtsfamilien unter Druck.
Wenn für steigende Tierbestände weniger Flächen zur Futtermittelerzeugung und Gülleausbrigung zur Verfügung stehen, führt dies unweigerlich zu einer Intensivierung der Bewirtschaftung mit erhöhten Belastungen mit Pestiziden und einer Gefährdung des Grundwassers. Aus vormals artenreichen Wiesen werden in wenigen Jahren durch die Einsaat von Hochleistungsgräsern und regelmäßige Gülleausbringung artenarme Flächen. Offenlandbiotope, Fließ und Stillgewässer leiden zunehmend unter dieser Entwicklung.
Der BUND Landesverband Baden-Württemberg hat sich daher, unterstützt von einem regionalen Bündnis gegen Massentierhaltung, entschlossen gegen das landesweit größte vom Kobeleshof bei Ellwangen beantragte Genehmigungsverfahren für Erweiterung auf 1313 Kühe plus Nachzucht Widerspruch und ggf. auch Klage zu führen.
Wachsen, wachsen, wachsen!
Die Geschichte des Verfahrens
In den letzten 12 Jahren (2008-2020) nahm die Anzahl der Betriebe mit Milchkuhhaltung im Ostalbkreis um 502 auf 712 ab, dabei nahm die Zahl der Milchkühe lediglich von 29.538 auf 27.323 ab, deren Milchproduktivität ständig gesteigert wurde.(Zahlen: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg)
Die Gründung von Megaställen beschleunigt diese Entwicklung und führt zur Aufgabe vieler bäuerlicher Familienbetriebe.
Im Jahr 2014 wurde erstmals eine Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) erteilt als der Kobeleshof auf mehr als 600 Rinder erweiterte.
Ein Jahr später wurde der Antrag für die Einrichtung eines Megastalles mit 1500 Milchkühen und ingesamt bis zu 2500 Tierplätzen in einem Sondergebiet gestellt worden und nach heftigem Widerstand von unserem Aktionsbündnis Anfang 2016 zurückgezogen worden.
Am 20.03.2020 hat das Landratsamt Ostalbkreis die immissionschutzrechtliche und baurechtliche Genehmigung erteilt, den Tierbestand des Kobelshofes der Familie Zwick von 772 auf 1313 Rinderplätze zu erhöhen, sowie statt 116 Kälber 171 zu halten, die entsprechenden Stallungen zu bauen, das Güllelager von 10 490m³ auf 19 739m³ zu erweitern und ein neues Fahrsilo, eine Festmistplatte und eine Schmutzwassergrube zu bauen.
Das Landratsamt Ostalbkreis hat im Rahmen der immissionschutzrechtlichen Genehmigung eine UVP-Vorprüfung durchgeführt und kam zu dem Schluss, dass von dem Vorhaben „keine erheblichen negativen Umweltauswirkungen zu erwarten sind“ und dass deshalb keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchzuführen ist.

Verlust von landwirtschaftlicher Fläche

Die Stadt Ellwangen gehört zu den Kommunen mit den größten Verlusten landwirtschaftlicher Fläche in der Region. Jährlich nimmt die Siedlungs- und Verkehrsfläche der Stadt im Durchschnitt um 20,55 Hektar zu.
Zwischen 2007 bis 2017 ist die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze in Ellwangen laut Statistischen Landesamt um 2.903 auf 12.653 gestiegen, der Bedarf an Wohngebieten und Gewerbeflächen ist ungebrochen.
Seit dem Jahr 2000 sind den Landwirten 411 Hektar zur Bewirtschaftung entzogen worden.
www.statistik-bw.de/BevoelkGebiet/GebietFlaeche/01515310.tab
Besitzer von Ackerland oder Grünland in Ortsrandlagen oder in der Nähe von Gewerbe- und Industriegebieten auf der Gemarkungsfläche spekulieren darauf, dass die Flächen irgendwann zu Bauland werden und sich dann gut verkaufen lassen. Pachtverträge werden deshalb nur mit geringer Laufzeit vereinbart.
Aktuell wird im dem Vorhabenstandort benachbarten Ellwanger Ortsteil Eggenrot das Baugebiet Traubfeld mit 20 Bauplätzen erschlossen, die landwirtschaftlich genutzte Grünlandfläche geht verloren, weitere Verluste entstehend durch geplante Ortsumfahrungen entlang der L1060.
Industrielle Tierhaltung und Gülleausbringung

Das bedeutet im Umkehrschluss bei unverändert hohem Tierbestand eine Intensivierung der Bewirtschaftung der schwindenden landwirtschaftlichen Flächen sowie eine Verbringung großer Güllemengen in weiter entfernte Gebiete.
Die Folge ist eine weitere Überdüngung der landwirtschaftlichen Flächen, durch Ausbringung von zu viel Gülle / ha. Die Überdüngung rührt vom zu hohen Viehbesitz / Hektar und Zuführung von Futtermitteln von externen, nicht hofeigenen Flächen. Durch die Überdüngung der Flächen folgt die erhebliche Gefährdung des Grund- und Trinkwassers. Im Umfeld des Kobeleshofes ist der industrielle Prozess der Gülleausbringung jetzt schon zu beobachten.
Große Silotankwagen übernehmen dabei die Verteilung der Gülle auf weit entfernte Flächen, deren Besitzer sich durch Gülleabnahmeverträge gebunden haben.
Auf den Seiten der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg ist zu ersehen, dass es jetzt schon im Großraum Ellwangen einen hohen relativen Stickstoff-Überschuss der Hoftorbilanz bezogen auf die landwirtschaftliche Nutzfläche gibt. Diese Problematik wird durch die massive Erweiterung der Rinderhaltung in noch größerem industriellem Maßstab weiter verschärft.
Der Kobeleshof liegt in einem Wasserschutzgebiet. In 10 km Entfernung vom Kobeleshof findet sich ein Nitratgebiet nach §13 DüV für das starke Restriktionen für die Ausbringung von Wirtschaftsdünger bestehen. Der Grundwasserkörper ist hier bereits stark gefährdet, die Qualität des gewonnenen Trinkwassers beeinträchtigt.
Durch die wesentliche Aufstockung des Tierbestandes am Standort Hintersteinbühl droht weiterer dramatischer Verlust von Artenvielfalt. Im Umfeld intensiver, industriell geführter Landwirtschaft ist zu beobachten dass artenreiche Glatthaferwiesen verschwinden und stark gedüngte artenarme Weidelgraswiesen mit trockenheitsresistenten Hochleistungsgräsern an ihre Stelle treten, die häufig gemäht werden und für Insekten fast nicht nutzbar sind. Das ist ein unmittelbares Ergebnis des hohen Nutztierbestandes im Ostalbkreises.
Der Artenrückgang der früher zahlreichen Blumenwiesen erfolgt durch 4 Dinge:
• Frühschnitt => 30 Arten
• häufiger Schnitt
• starke Düngung => 20 Arten
•Weidelgraseinsaat => 10 Arten (i.d.R. 3x jährlich)
Magere Flachland-Mähwiesen
Über 200 Hektar artenreiche Wiesen verschwunden
Unter diesem Begriff sind artenreiche, wenig gedüngte, extensiv (ein- bis zwei Schnitte) bewirtschaftete Mähwiesen im Flach- und Hügelland zusammengefasst. Dies schließt sowohl trockene (z.B. Salbei-Glatthaferwiese) als auch frisch-feuchte Mähwiesen ein. Im Gegensatz zum Intensivgrünland sind diese Wiesen blütenreich. Der erste Heuschnitt erfolgt nicht vor der Hauptblütezeit der Gräser. Die Schwerpunktvorkommen dieses Wiesentyps befinden sich bei europaweiter Betrachtung in Südwestdeutschland.
Im Ostalbkreis sind in den letzten Jahren über 200 Hektar dieser artenreichen Wiesen vernichtet worden. Durch Rückholverträge konnte nur ein geringer Prozentsatz wiederhergestellt werden..
Nach Artikel 11 der Flora-Fauna-Habitat Richtlinie sind alle Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, den Erhaltungszustand der FFH-Lebensraumtypen in und außerhalb der FFH-Gebiete zu überwachen. Neben der Überwachung des Erhaltungszustandes muss jeder Mitgliedstaat alle sechs Jahre die wesentlichen Ergebnisse des Monitorings und derdurchgeführten Maßnahmen an die Europäische Kommission übermitteln (Artikel 17). Aktuell wurde seitens der EU ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet, das einen langjährigen Vorlauf hatte.
Im weiteren Umkreis um den Vorhabenstandort befinden sich viele artenreiche Wiesen dieses Typs, deren Bestand durch Gülleabnahmeverträge mit einer unangepassten Düngergabe potenziell gefährdet wäre.
Im engeren Bereich um den Kobeleshof ist dieser Lebensraumtyp weitgehend verschwunden. Die Betroffenheit von Restvorkommen wie die bei Hohenberg oder anderen überwiegend bei Fließ- oder Stillgewässern Hohenberg liegenden Flächen ist zu prüfen.
Landschaftsschutzgebiet in Gefahr
Schon zwei mal gelangten Gülle und Silagesickersäfte in den Glasweiher

Das Landschaftsschutzgebiet Rotenbachtal-Sekretärweiher befindet sich wenige hundert Meter vom Kobeleshof entfernt, der auf einer erhöhten Sattellage errichtet wurde.
Schutzzweck des LSG ist die Erhaltung der letzten größeren Schilf-, Röhricht- und Riedbestände der gesamten Ellwanger Markung.
Das Rotenbacher Tal ist ein Keupertal, dass seinen völlig natürlichen Charakter bewahrt hat und wegen seiner Nähe zur Stadt Ellwangen ein beliebtes Ausflugs- und Wanderziel ist. Es ist deshalb auch als Erholungsgebiet besonders schützenswert.
Die reichhaltige Flora der Ufer- Uferrand und gewässerbegleitenden Flächen ist extrem verwundbar gegenüber eutrophierenden Einträgen aus dem oberhalb liegenden Gewässernetz in dem der Kobeleshof viele Flächen bewirtschaftet als auch den umgebenden landwirtschaftlichen Flächen. Negative Wirkungen auf das LSG sind bei unserer 2020 durchgeführten Biotopkartierung bereits sichtbar.
In den Jahren 2011 und 2012 wurden relevante bußgeldbewehrte Umweltschäden im LSG durch die illegale Einleitung von Silagesickersaft sowie Gülle über den Zulauf in den Glasweiher verursacht, bei dem sich eine nicht unerhebliche Menge eines Abwasserpilzes bildete, der im Zuge seines Absterbens, sehr viel Biomasse in den Weiher ausgab, was zu Sauerstoffzehrungen und weiteren Folgen führte.
Da sowohl die Polizei, Staatsanwaltschaft als auch das Landratsamt Ostalbkreis, Gewässerdirektion Ellwangen sowie der Fischereibeauftragte des Regierungspräsidiums Stuttgart involviert waren ist es gänzlich unverständlich, das der Ostalbkreis im Genehmigungsverfahren negative Folgen auf das LSG nicht betrachtet hat.